Think global, create local - État des Choses x Fri-Son

Seit 2021 hat sich Fri-Son mit „Etat des Choses“ zusammengeschlossen, um Künstler:innen einen Raum für kreatives Schaffen zu bieten. Sechs Künstler:innen haben bereits an dem Projekt teilgenommen.

Artwork 2

MinReCuliao

État des Choses x Fri-Son x MinReCuliao

Die Zusammenarbeit mit „Etat des Choses“ geht in die dritte Runde: Die Plakate für unsere Spielzeit 2023-2024 werden von MinReCuliao realisiert. 

I am MinReCuliao (Min), a young artist of Chilean and Chinese descent, lived in both countries throughout my childhood as well as the United States before arriving in Fribourg, Switzerland.
I’ve spent most my life isolated, feeling speechless due to language barriers, personal issues and environments that did not encourage expression. Growing up all over the place, witnessing the oxymorons of the world, peaceful moments such as beachy sunsets but also more tormenting ones such as huge fucking earthquakes. I have seen beauty, I have seen pain and through my art I open windows onto the ways that I perceive the world.

Artwork No.1 - Special places

Für diese erste Ausgabe spielt Min mit Orten, Symbolen, Momenten des Lebens und der Leere, die uns erfüllen. Ausgestellt auf den Fensterbänken vor Fri-Son, eine symbolische Statue von Chile. In Kombination mit einer Illustration, die im Laufe einer Nacht entstanden ist, der Verlängerung eines Moments, den er auf diesen Außensimsen verbracht hat, präsentiert er ein Rendezvous von Farben und Gefühlen.

Ausgabe Nr. 1 - Mit den Worten von MinReCuliao

At Fri-son, to breathe, to talk and to take breaks, we meet outside. We all sit on the window frame, tagged up, broken, filled with posters, this is our bench. Years go by, seasons change, the surroundings evolve, our window stays pretty much the same.
When I got here, I knew pretty much nobody. Now I sit here with my colors, all the faces around are familiar. We come to Fri-son, for the history, for the people, our friends.. to create. Anyways, at some point, we all sit outside, we smile, we exchange.

DE: Am Freitagnachmittag treffen wir uns draußen, um zu atmen, zu reden und um Pausen zu machen. Wir sitzen alle auf dem Fensterrahmen, beklebt, zerbrochen, mit Plakaten beklebt, das ist unsere Bank. Die Jahre vergehen, die Jahreszeiten ändern sich, die Umgebung entwickelt sich, unser Fenster bleibt so ziemlich das Gleiche.

Als ich hierher kam, kannte ich so gut wie niemanden. Jetzt sitze ich hier mit meinen Farben, und alle Gesichter um mich herum sind mir vertraut. Wir kommen nach Fri-son, wegen der Geschichte, wegen der Menschen, wegen unserer Freunde... um etwas zu schaffen. Wie auch immer, irgendwann sitzen wir alle draußen, lächeln und tauschen uns aus.
 

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MinReCuliao

Artwork No.2 - MinReCuliao x Van Anh

Für diese zweite Ausgabe hat Min mit Van Anh zusammengearbeitet. 

 

Texte von Van Anh

As a self-taught photographer, Bo develops her distinct style based on drawing and post-processing techniques. Fusing photography with digital art, she captured young naked bodies in weird poses and dream-like, moody settings, examining them from various angles. Speaking of the fascination with the human form, specifically male bodies, she sees it as “a paintbrush”, a useful tool to create any kind of image. In her self-described “strictly two-dimensional photographs”, the subject is flattened and distorted, stretched along the surface.

 

DE

Als eine autodidaktische Fotografin, entwickelt Bo ihren eigenen Stil, der sich auf Zeichnungen und Nachbearbeitungsmethoden stützt. Durch die Verschmelzung von Fotografie und digitaler Kunst hat sie junge nackte Körper in seltsamen Posen und traumhaften, stimmungsvollen Szenarien festgehalten und sie aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Wenn sie von der Faszination für die menschliche Form, insbesondere für männliche Körper, spricht, sieht sie diese als "Pinsel", ein Werkzeug, mit dem sich jede Art von Bild erzeugen lässt. In ihren selbst beschriebenen "strikt zweidimensionalen Fotografien" wird das Subjekt abgeflacht und verzerrt, indem es entlang der Oberfläche gestreckt wird

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Artwork 2

L43

État des Choses x Fri-Son x L43

Die Zusammenarbeit mit „Etat des Choses“ geht in die zweite Runde: Die Plakate und Postkarten für unsere Spielzeit 2022-2023 werden von Laeticia Schwendi, genannt „l43“, gestaltet. 

Die schweizerisch-marokkanische Künstlerin, die derzeit ihren Bachelorstudiengang in Grafikdesign an der ECAL absolviert, entwirft nicht nur zahlreiche Visuals, sondern ist auch eine wunderbare und äusserst interessante Gesprächspartnerin. Wir tauschen uns darüber aus, was uns als Menschen und Künstler:innen verbindet. Auf diese Weise öffnen wir unsere Diskussionen und laden Künstler:innen aus Nordafrika und Westasien ein, um zu erforschen, was uns mit Kultur im weitesten Sinne verbindet. Das Ergebnis dieses Ideenaustauschs ist in Form von vier Artworks zu sehen, die im Laufe der Saison nach und nach enthüllt werden. 

Artwork No.1 - Maman, quand je serai grande, je porterai du faux 

Für diese erste Ausgabe arbeitete l43 mit einem Programm für künstliche Intelligenz, einem Bereich der InformaIk, der sich auf die Konstruktion von Maschinen konzentriert, die menschliche Kognition und menschliches Lernen simulieren. Das von l43 gewählte Thema ist Fälschung als kulturelles Phänomen - oder genauer gesagt gefälschte Produkte bekannter Marken wie Gucci oder Vuitton, wie sie im Souk von Marrakesh verkauft werden. 

Ausgabe Nr. 1 - Mit den Worten von l43

Maman, quand je serai grande, je porterai du faux 
Maman, quand je serai grande, je porterai du faux. 
Pour être plus vraie. Je veux porter du faux, sans mentir à quiconque. 
Je leur dirai que mon sac vient de Jamâa El Fna. Je leur dirai même pour combien je l’ai marchandé et combien de temps ça a duré.  
Parce qu’on est beaux sur nos sièges de mobylette Vuitton. Parce que Gucci me ramène plus à Marrakech qu’à Milan. C’est nous les créatifs, c’est nous le sublime. 
Quand je serai grande, j’espère qu’ils l’auront compris. 
Vaut mieux se réapproprier nos codes. Alors me je jouerai des leurs. 
Sans pour autant vouloir leur plaire. 

Maman, quand je serai grande, ils voudront porter du faux. 

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L43

Artwork No.2 - BELDI TABLE - l43 x Karim Doukkana

Für dieses zweite Artwork hat sich l43 mit dem marokkanischen Künstler Karim Doukkana zusammengetan, um das Thema eines geteilten Tisches zu bearbeiten. Das Artwork zeigt einen 3D-Tisch, der mit marokkanischen Gerichten und anderen Elementen eines Esstisches bedeckt ist. l43 schuf die Texturen, indem sie Logos von Marken, die in Marokko und der Schweiz konsumiert werden, verfremdete. Das Ziel: diese Marken zu sublimieren, indem man sie in eine neue ästhetische Visualisierung verwandelt.  

Ausgabe Nr. 2 - Mit den Worten von l43

BELDI TABLE 
Ich liebe es, uns an diesem Tisch zu sehen, einen Moment mit Freunden, einen Moment mit der Familie. Das Teilen war noch nie so wertvoll wie heute. Wir spielen mit bestimmten Stereotypen, aber was ist das schon? Es ist so schön zu teilen und vor allem gut zu essen und zu trinken. Danke also für diesen schönen Tisch, der uns verbindet, ich werde ihn so lange teilen, wie es nötig ist. 

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Beldi table disposition de plats

Artwork n°3 - Ballroom Blitz - l43 x Bakisa

L’Artwork No.3 entstand aus einer Zusammenarbeit zwischen l43 und dem libanesischen Musiker, DJ, Radiomoderator (Radio Raheem, Radio Alhara), Mitbegründer und musikalischen Leiter von The Ballroom Blitz Beirut, Moe Choucair aka Bakisa. 

Orte wie Fri-Son oder The Ballroom Blitz sind viel mehr als nur Orte, an denen Musik konsumiert wird; sie sind soziale Orte, an denen Ideen, Gedanken und Geschichten ausgetauscht werden, an denen Gemeinschaften entstehen, wachsen und sich weiterentwickeln. Was verbindet: Rhythmus, Beats, Melodien, Leidenschaft. 

Die Kreation: Bilder von Fri-Son wurden mithilfe von Programmen für künstliche Intelligenz mit Bildern von The Ballroom Blitz gemischt und anschließend überarbeitet. 
 

The Ballroom Blitz 
The Ballroom Blitz in Beirut ist ein Ort, der aus drei Räumen und einem soliden Programm besteht: Live- Auftritte, DJ-Sets, Workshops und vieles mehr. Musik spielt hier eine zentrale Rolle, ist aber weit mehr als nur ein Mittel zum Feiern. Musik ist ein soziales Mittel, das gleichzeitig dynamisch, transformaIv und vielfältig ist. Das Programm des Ballroom Blitz ist das Ergebnis einer gründlichen Suche nach aufstrebenden Talenten aus dem In- und Ausland und etablierten Namen der Branche. Ziel: Förderung einer kollaborativen Clubkultur in Beirut. 

Musik ist mehr als nur das Erlebnis eines Clubbings oder eines Konzerts. Um eine breitere Debatte anzustossen, bietet The Ballroom Blitz durch Seminare und Workshops ein Ventil für die musikalische und audiovisuelle Produktion und veröffentlicht eine Print- und Online-Zeitung mit Albumreviews, Interviews und Nachrichten aus der Club- und Musikszene. 

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recomposition d'images de fri-son

PADOU

État des Choses x Fri-Son x PADOU

Les cartes postales et les affiches de la saison 2021-2022 viennent d’une association entre Fri-Son et Etat des Choses, et l’artiste, photographe et vidéaste PADOU. Ensemble, nous travaillons sur des thèmes que PADOU traduit visuellement. Au cours de longues conversations, nous avons discuté de ce qui nous lie à des artistes qui ont vécu à des milliers de kilomètres il y a des milliers d’années. Une réflexion sur la force de l’union entre l’art et la musique, comme une expression de ce que nous sommes: les enfants de l’humanité.

Wir fahren noch eine Runde?

Ausgabe Nr. 1: Mit den Worten von PADOU: Wir fahren noch eine Runde?

Wenn sich die Autotür schloss, eröffnete sich mir eine Welt der Musik. Arabische Musik umgab mich, die Kassetten liefen ab. Wir saßen zu zweit im Auto, doch mein Vater versicherte mir, dass wir nicht die einzigen waren; von Beirut über Kairo bis nach Marokko reiste "Fayruz" morgens zu jedem nach Hause. Worte in einer fremden und doch vertrauten Sprache, die Melodien sprachen zu mir, brachten mich zu meinem Vater, brachten mich nach Hause. Wir waren allein in diesem Auto und doch waren wir viele, vereint durch eine Fahrt, vereint durch die Musik. Eine flüchtige Welt, die mit einem Knall der Autotür verschwand. 

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Vue de l'intérieur d'une voiture. De gauche à droite, le volant d'une voiture fait saillie dans l'image. Au milieu se trouve la boîte à gants, remplie de cassettes avec des inscriptions en arabe.

Artwork No.2 - Ulayya bint al-Mahdi (777-825 n.Chr., Bagdad)

Ulayya bint al-Mahdi war eine abbasidische Prinzessin, die für ihre Gedichte, ihre Musik sowie ihre Kompositionen bekannt war. Die meisten ihrer Gedichte bestanden aus kurzen Musik- und Gesangsstücken. Obwohl sie verheiratet war, habe Ulayya bint al-Mahdi mehrere Liebhaber; Männer, die am Hof als Sklaven gehalten wurden und denen viele ihrer Liebesgedichte gewidmet waren. Stellen Sie sich den Skandal vor! Als ihr Bruder davon erfuhr, wurde ihr verboten, die Namen ihrer Liebhaber zu erwähnen. Ulayya beugte sich dem Willen ihres Bruders - und benutzte fortan weibliche Namen in ihren Werken. Die Überlieferung erwähnt auch, dass sie eine Liebe zum Wein pflegte, den sie jedoch nur während ihrer Menstruation trank, mit der Begründung, dass Frauen während ihrer Menstruation ohnehin nicht beten durZen. Ob dies nun wahr ist oder nicht, Ulayya scheint eine Frau mit einem pragmatischen und nicht minder grossen Sinn für Freiheit gewesen zu sein. 

Ulayyas Gedicht bint al-Mahdi über ihre Sehnsucht nach einem Ort der Freiheit, an dem sie den Namen ihrer Liebe hätte verkünden können, wurde zur Grundlage dieses zweiten von Padou geschaffenen Artworks:
 

كَتَمتُ اِسمَ الحَبيبِ عَنِ العِبادِ 
وَرَدَّدتُ الصَبابَةَ في فُؤادي 
فَوا شَوقي إِلى نادٍ خَلِيٍّ 
لَعَلّي بِاِسمِ مَن أَهوى أُنادي 

J’ai dissimulé le nom de celui que j’aime aux autres 
Je ne l’ai répété que dans mon coeur 
J’aspire à trouver un espace vide 
En vue de prononcer ce nom que j’aime 
Traduction: Iris Tinguely 
 

Mit den Worten von Padou: 

Ich möchte den Namen meines Geliebten in einen leeren Raum rufen. An einem Ort, an dem mich niemand hören kann, an einem Ort, der vielleicht nicht existiert, aber von dem ich träume. 

Der Himmel, sagte ich mir, der Himmel ist der größte Wunsch des Menschen, ein perfekter, unsterblicher Ort, an dem es niemanden gibt. Ich denke an den Vornamen und wie eine Maschine wiederhole ich ihn immer und immer wieder. Aus Liebe werde ich zu einer Maschine: In der Wiederholung von Gefühlen, in der Wiederholung von Wünschen, wie ein Drucker, der ständig das gleiche Wort ausspuckt. Das ist kein unangenehmes Gefühl, im Gegenteil: Es ist ein betörendes Gefühl, ein subIles, süsses "je ne sais quoi", das wie Zuckerwabe die Lippen umschmeichelt und plötzlich auf der Zunge verschwindet. Eine PerfekIon in der Unvollkommenheit, eine idealisierte Sehnsucht, die nicht exisIert, aber dennoch präsent ist.

Kann man die Wolken fangen?

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imprimante chromée
Padou x Thiyazen

Artwork n°3 - Padou x Thiyazen Alalawi

Thiyazen Alalawi ist einer der letzten, wenn nicht sogar der einzige Street-Art-Künstler, der noch in Sana'a im Jemen lebt und arbeitet. Durch ein Austauschprojekt, das während des ersten Containments begann, kam ich (Julia Foster, Kommunikationsmanagerin) mit ihm in Kontakt. Im Laufe der folgenden Monate und Jahre entwickelte sich eine enge Freundschaft, die wir durch gemeinsam erstellte Nachrichten und Bilder, wenn uns die Worte fehlten, pflegten. Alles übersetzt mit der wertvollen Hilfe vom Google Übersetzer. In unseren Gesprächen erfuhr ich von dem grossen kulturellen Reichtum und der Schönheit des Jemen sowie von der Verletzlichkeit der Jemeniten und ihrer GesellschaZ angesichts des andauernden brutalen Konflikts. 

Ich fragte Padou, ob er Lust hätte, mit Thiyazen zu arbeiten, da Fri-Son eine enge Verbindung zur Street-Art- Kultur hat. Unsere Gespräche drehten sich wieder um die Frage, welche Gemeinsamkeiten Fri-Son mit Sana'a verbinden, die 6535 km voneinander entfernt liegen. Die Antwort liess nicht lange auf sich warten: Der Kaffee. Während die Kaffeepflanze in Äthiopien beheimatet ist, begann die Geschichte des Kaffees als Getränk im Jemen. 

Mit jeder Tasse Kaffee halten wir das Echo der langen Geschichte des Jemen in unseren Händen. 

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Yemen image du projet

Artwork n°4 - Padou x Thiyazen Alalawi

Dieses vierte sommerliche Artwork ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Fri-Son, État des Choses, Thiyazen und PADOU. Es wurde rund um die ThemaIk der Bienen und des Honigs erstellt.  

Ausgabe Nr. 4 - Mit den Worten von PADOU 

Das kollektive Gedächtnis, das sowohl mystisch als auch historisch ist, ist eine Mischung aus Märchen und Legenden, aus historischen Fakten und vielfältigen Interpretationen. Thiyazen Alalawi, eine Künstlerin aus dem Jemen, und ich, PADOU, eine Künstlerin mit palästinensischen Wurzeln, sind Kinder dieses Gedächtnisses, das unsere Kultur und unsere Identität ausmacht. Wir stellten uns Fragen zu den Themen, die uns bewegen, die wir beide wichIg finden. Und in einem feuchten, verwelkten Blumenfeld, das einst von Bienen gestreichelt wurde, fanden wir die Antworten darauf. 

Honig als Symbol für Reichtum, Bienen als Symbol für Sensibilität und die Blumen, in denen sie leben und sterben. Zerbrechlich und stark wie unsere Kulturen, wie die Menschen, die leben, erschaffen und verwelken. 

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artwork estival thématique des abeilles et du miel